Emotionale Agilität hat auf den ersten Blick nichts mit einem agilen innovativen Unternehmen zu tun. Bei der Emotionalen Agilität geht es um emotionale Kompetenzen, nicht um Projektmanagement. Kompetenzen, die bei der Mehrzahl der Mitarbeitenden und Führungskräfte von Unternehmen vorhanden sein müssen, um überhaupt in den Mut zu kommen, Veränderungen zu mehr Innovation, New Work und Agilität anzustoßen. Das hat auch Google erkannt. Google führt daher mit großem Erfolg das Seminarprogramm „Search Inside Yourself“ für seine Mitarbeitenden durch und hat sogar das SIY Leadership Institute für seine Führungskräfte eingerichtet.
Der US-Psychologe Daniel Goleman prägte bereits in den neunziger Jahren den Begriff „Emotionale Intelligenz“. Die Kompetenzen, die er beschreibt, sind vergleichbar mit denen der Emotionalen Agilität. Schon damals hat er die Selbstwahrnehmung als Schlüssel für alle weiteren emotionalen Kompetenzen angesehen: Selbstregulation, Motivation, Empathie und allgemeine soziale Fähigkeiten, wie zum Beispiel Konflikte klären und Vertrauen aufbauen. Es geht also um weit mehr als nur darum, seine Gefühle den jeweiligen Situationen anzupassen und vernünftig zu reagieren.
Dr. Susan David, Psychologin an der Harvard Medical School, definiert Emotionale Agilität wie folgt: „Die Art, wie wir durch unsere Innenwelt navigieren – mit unseren täglichen Gedanken, Emotionen und subjektiven Wahrnehmungen – ist der wichtigste bestimmende Faktor für unseren Erfolg im Leben….Emotionale Agilität ist der Prozess, der uns in die Lage versetzt, mit Selbstakzeptanz, Klarheit und Aufgeschlossenheit durch die Höhen und Tiefen des Lebens zu navigieren.“
Die mit der Emotionalen Agilität verbundene Selbstwahrnehmung und Selbstregulation ermöglichen es uns, nicht einfach unseren Impulsen zu folgen, sondern abzuschätzen, ob gerade der passende Moment für eine bestimmte Verhaltensweise ist. Das hilft insbesondere in konfliktären oder herausfordernden Situationen. Denn wenn wir im Stress sind, reagiert unser Autopilot noch stärker als er es ohnehin schon tut. Unsere Verhaltensweisen sind dann mitunter nicht angemessen und nicht förderlich.
Auch die Kompetenz zur Empathie gewinnt zunehmend an Bedeutung. Insbesondere in Unternehmen, die sich auf den Weg zum agilen Unternehmen machen, nehmen die zwischenmenschlichen Konflikte erheblich zu. Denn die Teams werden immer crossfunktionaler und damit auch heterogener. Die Herausforderungen an eigenverantwortliches Arbeiten im Team setzen die Menschen unter einen enormen Leistungsdruck. Nicht jeder Mitarbeitende oder Projekteiter ist mit den erforderlichen Kompetenzen ausgestattet, um eine vertrauensvolle und kreative Arbeitsatmosphäre herzustellen. Hier helfen entsprechende Programme, die den Mitarbeitenden helfen, diese Fähigkeiten der Selbstwahrnehmung, der Selbstregulation und der Empathie zu trainieren. Denn die Neurowissenschaften belegen, dass Emotionale Agiltät grundsätzlich erlernbar ist. Es gibt sogar eine spezielle Gehirnregion hinter der Stirn, die für die Selbststeuerung zuständig ist. Diese können wir gezielt trainieren, zum Beispiel durch Achtsamkeitspraxis.
Es ist die entscheidende Millisekunde zwischen Reiz und Reaktion, die uns Handlungsoptionen bietet und uns eine souveräne Haltung und Handlung erlaubt. Oder wie der österreichische Neurologe und Holocaustüberlebende Viktor Frankl sagte: „Zwischen Reiz und Reaktion gibt es einen Raum. In diesem Raum haben wir die Freiheit und die Macht, unsere Reaktion zu wählen.“